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Samstag, 24. August 2024

Die Zeit in Gedanken fassen

„Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jeder ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die
Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt.“


Was heute unwidersprochen vernünftig und fast ein bisschen banal klingt, bedeutete im ausgehenden 18. Jahrhundert eine revolutionäre Wende. Philosophie stand bis dahin für die Vita Contemplativa, für das Streben nach dem Ewigen und Wahren, das eine Abkehr von allem Weltlichen voraussetzte, von allem, was bloß Geschichte war.

Die Zeit als Reich kontingenter, unzulänglich menschlicher Begebenheiten war lange überhaupt nicht philosophiewürdig. Wenn es laut Hegel nun Aufgabe der Philosophie sein sollte, ihre Zeit in Gedanken zu erfassen, musste der Geist neuerdings selber in der Zeit und der Geschichte anwesend sein. Bei Hegel war der Geist in Bewegung geraten. Er war nicht mehr Aristoteles ́unbewegter Beweger als in sich ruhender Pol im Zentrum seiner Schöpfung.

Hegel denkt Geist als tätige Unruhe. Der Geist entäußert sich in die Epochen der Geschichte in fortschreitender Entwicklung. Er wandert durch alle Gestalten der Zeit und trifft dabei in immer höherer Bewusstseinsstufe überall zugleich auf sich selbst. Der Geist an sich ist zugleich der Geist der Zeit. Hegel schreibt in seinen »Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie«:

„Die politische Geschichte, Staatsverfassungen, Kunst und Religion haben alle zusammen eine und dieselbe gemeinschaftliche Wurzel – den Geist der Zeit. Es aber aufzuzeigen, wie der Geist einer Zeit seine ganze Wirklichkeit und ihr Schicksal nach seinem Prinzipe ausprägt, wäre der Gegenstand der philosophischen Weltgeschichte überhaupt.“

Zeitgeist SWR2 Essay

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