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Samstag, 24. August 2024

Hegel und Schelling


Auch dem Genie Schelling blieb der „Spätzünder“ Hegel zugetan, bei allen philosophischen Differenzen, die sich ausgerechnet an Schellings Verständnis der Indifferenz entzündeten. Denn darum ging es, um nichts weniger als die Frage nach dem Absoluten in der Natur und in der Gestalt des Ich.

Während Schelling das Absolute als „ruhende Einheit der Gegensätze“ dachte, widersprach Hegel, nicht von Anfang an, aber doch schließlich heftig. Denn als der Denker der Dialektik, also der nicht aussetzenden Denkbewegungen, könne das Absolute nicht als toter Punkt begriffen werden. Was das Verhältnis von Natur und Ich umtreibe, sei die Ruhelosigkeit – und dieses Verhältnis lasse sich auch im Absoluten nicht stillstellen, absolut nicht.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel gehörte mit Kant und Schelling zu den wichtigsten Vertretern des deutschen Idealismus. Seine Werke zur Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes beeinflussten die Wissenschaften über die Grenzen der Philosophie hinaus und prägten über lange Zeit das Denken großer Philosophen wie Adorno und Feuerbach.

Drei junge Studenten der Philosophie und Theologie auf der Suche nach sich und nichts weniger als hehrer Wahrheit und absoluter Weisheit: Hegel, Hölderlin und Schelling 1790 im Tübinger Stift. Damenbesuch droht, die Jungmänner-Bude nach Kartenspielgelagen vollkommen desolat und die Speisekammer leer bis auf ein paar Krüge Gerstensaft.

Euphorisch, verliebt, enttäuscht, philosophierend, streitend, hoffend, verzweifelnd erleben wir das Trio bei seinem Sturz durch die Zeiten. Denn das Stück katapultiert die wohl berühmteste Philosophen-WG der Geschichte mit einer von Schelling gesteuerten phantastischen »machina tempora« in großen Sprüngen aus ihrem Zeitalter durch die Historie in unsere Gegenwart und sogar bis in die Zukunft.


Die Zeit in Gedanken fassen

„Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jeder ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die
Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt.“


Was heute unwidersprochen vernünftig und fast ein bisschen banal klingt, bedeutete im ausgehenden 18. Jahrhundert eine revolutionäre Wende. Philosophie stand bis dahin für die Vita Contemplativa, für das Streben nach dem Ewigen und Wahren, das eine Abkehr von allem Weltlichen voraussetzte, von allem, was bloß Geschichte war.

Die Zeit als Reich kontingenter, unzulänglich menschlicher Begebenheiten war lange überhaupt nicht philosophiewürdig. Wenn es laut Hegel nun Aufgabe der Philosophie sein sollte, ihre Zeit in Gedanken zu erfassen, musste der Geist neuerdings selber in der Zeit und der Geschichte anwesend sein. Bei Hegel war der Geist in Bewegung geraten. Er war nicht mehr Aristoteles ́unbewegter Beweger als in sich ruhender Pol im Zentrum seiner Schöpfung.

Hegel denkt Geist als tätige Unruhe. Der Geist entäußert sich in die Epochen der Geschichte in fortschreitender Entwicklung. Er wandert durch alle Gestalten der Zeit und trifft dabei in immer höherer Bewusstseinsstufe überall zugleich auf sich selbst. Der Geist an sich ist zugleich der Geist der Zeit. Hegel schreibt in seinen »Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie«:

„Die politische Geschichte, Staatsverfassungen, Kunst und Religion haben alle zusammen eine und dieselbe gemeinschaftliche Wurzel – den Geist der Zeit. Es aber aufzuzeigen, wie der Geist einer Zeit seine ganze Wirklichkeit und ihr Schicksal nach seinem Prinzipe ausprägt, wäre der Gegenstand der philosophischen Weltgeschichte überhaupt.“

Zeitgeist SWR2 Essay